Ich stand vor der Aufgabe, mein Menschenbild zu Papier zu bringen. Nichts einfacher als das, schließlich denke ich den ganzen Tag über nichts anders nach, denke ich. Pustekuchen. Was soll das eigentlich sein, ein Menschenbild. Du sollst dir kein Bild machen, habe ich schon früh von Stiller gelernt. Ungehorsam habe ich es dann sicher doch irgendwie getan, aber was ist dabei rausgekommen? Ein Bild, das den Menschen beschreibt, wie er handelt und sich gibt, ein Idealbild, oder das Bild des durchschnittlichen Erdbewohners oder des genormten oder doch vielleicht nur ein Bild meiner selbst? Schon die ersten Beschreibungsversuche, die mir in den Kopf kommen, lösen sich unversehens auf, als ich bemerke, dass es sich um Vorurteile handelt. Der Mensch, das sind Männer und Frauen, und Kinder, sind das auch Menschen, der Mensch ist ein soziales Wesen, das Liebe braucht und gibt, ha! Kann man den Menschen beschreiben, ohne Bezug auf seine Umwelt zu nehmen? Ist der Mensch ein Teil der Natur? Ist er auf irgendeinem Gebiet anders als die Tiere? Verantwortung. Der Mensch trägt Verantwortung. Oder er weiß um seine Verantwortung? Was ist überhaupt Verantwortung? Ja, und was macht er damit, der Mensch? Er hat Humor, oder auch nicht, er ist neugierig und will ohne Grenzen alles erforschen. Aber ist es wirklich das Interesse an den Dingen, oder ist das Wissen nur der Schlüssel zu einer (vermeintlichen?) Kontrolle? Ist der Mensch gut oder böse? Kann das Menschenbild werten? Muss ich nicht werten, wenn ich mein Bild vom Menschen male? Kann ich wertfrei wiedergeben, was sich in meinem inneren Augen über die Jahre zusammengestellt hat? Geht es um ein Menschenbild, oder um ein Menschheitsbild? Ist de der momentane Status, oder eher ein Punkt auf einer sehr langen Zeitschiene? Muss ich mit dem Menschen auch dessen Zukunft sehen, wenn ich das Bild zeichnen will? Und sollte ich jemals eine für mich befriedigende und ausreichende Antwort zusammenstoppeln können, wie werde ich dann mit der anderen Aufgabe umgehen, nämlich mein Weltbild zu beschreiben. Wo fängt denn die Welt an? Wo hört sie auf? Handelt es sich um mein Bild der Erde? Oder darf ich die Milchstraße dazu rechnen? Und sind die endlosen Weiten dahinter nicht auch relevant? Warum heißt das Weltbild Weltbild, wenn man ja doch nur die Welt meint, die vielleicht die westliche „Zivilisation“ meint, vielleicht im Kontrast zu all den dunklen Kulturen, die irgendwie noch nicht so weit sind, wie wir zu sein glauben. Wie klein muss ich denken, wenn ich die Erde mit der Welt gleichsetze? Und wie klein werde ich, wenn ich das nicht tue? Ist es das, ist es die Unerträglichkeit, die mit der Erkenntnis einhergeht, dass der Mensch sehr klein ist, dass ich nur so klein bin, so klein, dass es keinerlei Unterschied macht, ob ich hier war oder nicht? Ist es das, was so viele Menschen antreibt, Kontrolle zu bekommen über all das auf der Erde und in der Welt, was nicht kontrollierbar ist? Und ist es nicht vielmehr tröstlich, sehr, sehr tröstlich, dass es am Ende egal ist, was wir tun, weil alles irgendwie weiter gehen wird. Aber bis zu diesem Ende, sollten wir doch noch versuchen, zu beweisen, dass wir Vernunft und Liebe in uns tragen, dass wir soziale Wesen sind. Und uns und der Welt das Leben gut gestalten. Reich sind wir schon genug.