Mehr als die Summe der einzelnen Teile


Der Mensch. bzw. der durch die Zivilisation von sich selbst entrückte Mensch, fühlt sich häufig als Individuum und kann nicht mehr fühlen, dass er Teil eines Systems ist. Man könnte es vielleicht an einem simplen Beispiel darstellen: Fußball. Elf Spieler oder 22, ein Ball, zwei Tore. Fertig. Manchmal kommt der eine oder andere vielleicht auf den Gedanken, dass doch der Stürmer derjenige ist, der so viele Tore schießt, warum also nicht mehr Stürmer in die Mannschaft stecken und so immer gewinnen? Und dann kommt, was kommen muss: alles gerät aus dem Gleichgewicht. Die vermeintlich so pfiffige Lösung bringt unvorhergesehene Probleme. Tatsächlich spielt ja der Stürmer eine Rolle und es gibt daneben noch viele andere. Schauen wir uns mal an, wer da welche Wichtigkeit hat: Also, es gibt neben dem Stürmer noch die Verteidigung, natürlich den Torwart (ich bleibe hier mal rein männlich, es sollen ja alle verstehen, was ich sagen will …), der Spielmacher mit seinen Ideen, ein Libero. Das wär’s. Ach nein. Da ist ja noch der Trainer. Und der Ball. Die Qualität des Platzes ist auch nicht unwichtig. Die Frage der Ernährung, der Kleidung, der Psyche. Die Fans. Alles gar nicht so unwichtig. Am Ende liegt es am Wetter, dass die eine oder andere Mannschaft besser oder schlechter zurecht kommt. Ob das schon alle Faktoren sind? Wahrscheinlich nicht. Aber es soll hier erstmal reichen. Und jetzt komme ich mal zu dem eigentlich System, in dem ich als Mensch lebe. Soweit ich das mit meinem doch sehr begrenzten Überblick einschätzen kann (d.h. wahrscheinlich – ein, sicher! – ist es noch viel komplexer, als ich es hier skizzieren werde): Also, da gibt es als grundlegende Faktoren erstmal die Sonne als Energiespenderin, das Meer, das unter anderem für das Klima auf der Erde mitverantwortlich ist – und das Land mit seinen Lebewesen, insbesondere den Wäldern. Wobei ich hier keine Gewichtung vornehmen möchte. Alles sehr wichtig für das, was wir unter Leben-auf-der-Erde verstehen. Allein die Meere sind für sich schon ein so unglaublich komplexes System, dass wir nach mehreren hundert Jahren der Forschung eigentlich immer noch keine Ahnung haben, was da alles los ist. Sicher ist aber, dass allein jede Störung der Wassertemperatur oder der Nahrungskette gravierende Auswirkungen hat. Auf das gesamte Leben auf der Erde. Und dann der Wald. Er wird häufig gesehen als eine Agglomeration von Bäumen. Und vielleicht noch ein paar Farne oder Fliegenpilze. Tatsächlich ist es aber ein schier unendlich beziehungsreiches Geflecht (im wahrsten Sinne des Wortes) von 1000en Arten. Bäumen und andere Pflanzen verschiedenster Couleur (so Mensch sie lässt), Mikroorganismen, Pilzen (die weder Tier noch Pflanze sind) mit Kilometern an unterirdischen Verästelungen, Schleimpilzen (die weder Tier noch Pflanze noch Pilze sind), Insekten, Viren, Bakterien, Vögeln und verschiedenen Säugetieren,  die alle, und das meine ich so, alle ihre unverzichtbare Rolle haben. Alle tragen zum Erhalt und Fortbestand des Systems Wald bei. Alle. Auf keines kann dauerhaft verzichtet werden, ohne dass sich das System verändert. Und wenn, dann teilweise so gravierend und so schnell, dass eine Anpassung der Restbewohner auf die neuen Lebensumstände nicht machbar ist. Das ist dann das Ende. Wenn man bedenkt, dass die einzelnen Bäume ihre Etagen haben, in denen sie leben, je nachdem, wie viel Sonnenlicht sie benötigen oder vertragen können, dass die Großen den Kleinen mit Nahrung aushelfen, dass die Pilze den Bäumen Wasser bieten, wofür sie dann Zucker erhalten, dass die einen Käfer die Bäume angreifen, während die anderen, vom Baum zur Hilfe gerufenen Käfer die ersten verjagen und so den Baum retten, wenn ein angegriffener Baum die anderen Bäume mit Geruchsbotschaften oder durch unterirdische Knacklaute informiert, dass Gefahr besteht, wenn also alle Hand in Hand arbeiten, um das System am Leben zu halten, dann ist das schon faszinierend. Wenn man dann aber bedenkt, dass das System Wald nur ein zwar bedeutender, aber dennoch nur ein Teil unseres Gesamtsystems Erde ist, dann kann man vielleicht irgendwann ahnen, dass der Mensch wohl eigentlich auch Teil dieses Systems ist. Und solange er sich dem verweigert und sich vom Pulsschlag der Erde, von dem Leben, das ihn umgeben und auch ausmacht, das ihn erhält, ernährt, behütet, seine Lebensgrundlage darstellt, entfernt, hat er ein Problem. Und das ist sicher mindestens genauso groß wie das einer Fußballmannschaft, die aus elf Stürmern besteht. Und wer das für esoterisch hält, solle sich mal mit offenen Augen umschauen.

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