Mal das Gegenteil von dem tun, was alle anderen tun – das bringt ja oft interessante Erkenntnisse. Da ist nun der Chef, der aus eigenem Erleben weiß, dass Solitär ein Computerspiel ist, das erfunden wurde und einen immensen Erfolg hat, weil die Männer und Frauen, die sich täglich mindestens 8 Stunden hinter ihren Schreibtischen verdingen, immer wieder dem Alltag entfliehen. Entweder, weil sie gerade nicht so viel Arbeit haben, um die Zeit zu füllen, oder weil sie mal raus müssen, und sei es nur gedanklich, oder weil sie die Meldungen auf Twitter und Facebook gerade interessanter finden, als die Listen auf dem Bildschirm. Jedenfalls scheint es auch in den USA so zu sein, dass die MitarbeiterInnen nicht in jeder Minute ihres (Arbeits-)Lebens hundert Prozent oder mehr ihrer Leistungsfähigkeit geben. Beziehungsweise, sie geben wahrscheinlich einhundert Prozent ihrer gerade verfügbaren Leistungsfähigkeit – aber niemand kann immer und ständig auf dem obersten möglichen Niveau arbeiten. Das scheint zwar die Ansicht der Optimierer zu sein, die in den letzten Jahrzehnten mit Verweis auf den Konkurrenzdruck durch die Globalisierung jede erdenkliche Verdichtungsmöglichkeit und Effizienzsteigerung durchgesetzt haben. Mit der Konsequenz, dass die Gesundheit der arbeitenden Bevölkerung erodiert. Aber es gibt auch Menschen, die verstehen, dass ein anderer Weg vielleicht zu nachhaltigerem Erfolg führen könnte: “ Wenn man mal ehrlich ist, arbeiten wir alle nur zwei bis drei Stunden am Tag ernsthaft.“ So Stephan Aarstol, der besagte Chef. Er begrenzte die Arbeitszeit in seinem kalifornischen Unternehmen auf 5 Stunden täglich – bei mehr als vollem Gehaltsausgleich. Und erwartet dafür in der so verbliebenden 25Stundenwoche vollen Einsatz und Konzentration. Erholtere und motiviertere MitarbeiterInnen erwirtschaften seither ein deutlich höheres Plus (40% mehr Umsatz!), bleiben dabei zufriedener und gesünder – uns surfen dafür nachmittags in den Wellen des Ozeans oder auf den Seiten der sozialen Medien.
Henry Ford hatte auch schon die Arbeitszeit gegen alle Bedenken verringert, damals von 12-16 auf 8 Stunden. Der wusste vielleicht noch nicht, dass mehr als 25 Stunden Arbeitszeit für Menschen über 40 nachteilig sind und zu kognitiven Einbußen führen. Der entstehende und nicht mehr zu verarbeitende Stress lässt die Intelligenz und Leistungsfähigkeit sinken. Aber er hat wohl geahnt, dass wache Autobauer besser Autos bauen. Wann sich die Erkenntnisse wohl in unserer Gesellschaft durchsetzen?