Gestern gab es entgegen aller Vorhersagen stundenlangen Sonnenschein, an dessen Nachhaltigkeit ich aber lange nicht glauben wollte. Dann gab ich meine Haltung auf, verließ das schützende Dach über meinem Kopf und fuhr vertrauensvoll mit einer Picknickdecke und ohne Jacke in die Rheinauen. Kaum hatte ich ein Plätzchen auf einer der leeren Wiesen zwischen Entenkotwürsten besessen, fiel mein Blick auf einen großen dunklen Fleck am Himmel auf der gegenüberliegenden Rheinseite. Regenwolken. Nein, nur eine. Die recht zügig näher kam. Aber die letzten Tage hatten mir viele davon vorbeigeschoben, ohne dass jemals etwas aus ihnen herausgefallen war. So blieb ich optimistisch und beobachtete in den fast menschenleeren Rheinauen die Natur um mich herum. Zahlreiche Enten verschiedenster Art schwammen meist in der gleichen Richtung über das Wasser, der Biber kramte und baute fast unsichtbar an seinem Bau herum, ein Reiher umflog immer wieder die Insel, manche Enten versuchten zu landen, starteten aber wieder durch, ein Schwanenelternpaar fuhr seine drei Kinder herum und ein Kormoran schoss vom Fluss her über den Teich vorbei an allen anderen Lebewesen weiter ins Bonner Regierungsviertel. Um mich herum die bekannten ohrenbetäubenden Gesänge der Amseln. Alles war sehr aufregend für mich, dabei war ich ja dort, um mich gemäß offiziellem Auftrag zu erholen. Schließlich sind die Bonner Rheinauen ein Naherholungsgebiet. Die mit viel Liebe und finanziellem Aufwand gepflegten Bäume, Büsche, Blumen und Halme haben einen volkswirtschaftlichen Zweck zu erfüllen: Sie müssen dafür sorgen, dass der Arbeiter nach dem Wochenende wieder zur Arbeit geht. Dass der Lehrer das Schuljahr übersteht. Dass die Germanistikstudentin in der Regelstudienzeit bleibt. Dass die Bebauung hoch und dicht sein darf, weil es ja Alternativen zum eigenen Grün gibt. Vielleicht sind also die Enten gar nicht freiwillig hier. Hat man die Schildkröten, die Sittiche und anderes Getier hierher verbannt, um die schnelle Erholung der BürgerInnen zu fördern? Bin ich in einem Phantasialand für Geburnoutete? Während ich darüber sinniere, wie perfide das kapitalistische System sein Netz gebaut hat, um die Gewinne zu maximieren, fallen die ersten Tropfen um mich herum. Erst ganz vereinzelt, dann mit mehr Kraft und in höherer Frequenz. Ich ziehe zunächst die Decke über mich, lasse einige Minuten lang alles von mir abprallen und suche dann barfuß Schutz unter einer Brücke. Meine Decke lege ich auf eine Stelle, die zuvor auch von Enten besetzt gewesen sein muss, aber wenigstens ist es dort trocken. Von meinem neuen Sitzplatz aus habe ich Blick auf Hirsch und Fuchs. Von denen weiß ich wenigstens, dass sie Kultur und nicht Natur sind. Weil es dann doch nicht aufhören will zu regnen, steige ich auf’s Rad und tropfe nach Hause. Es war wie immer sehr schön.